Meine Straße - eine fotografische Skizze (2019)
Sie lebt seit 1982 in diesem Haus. Dieser Straße.
Alle Häuser in der Straße ähneln sich.
Gebaut in den 60er Jahren für Offiziere und Generäle der NVA.
Mit Mann und Kind kam sie nach Strausberg. Arbeitete als Lehrerin.
Lernte dadurch Generationen von Schülern kennen.
Danach als Rentnerin Pakete austragen, Promotion-Touren durch
Supermärkte, Nachhilfeunterricht. Die Enkelkinder, die Wäsche, der Garten.
„Es war immer was los. Und wir haben viel gelacht.“
Nach dem Tod ihres Mannes vor sechzehn Jahren blieb sie allein.
Seit einem Jahr steht das Auto in der Garage. Der Bewegungsradius ist
kleiner geworden. Das Haus verlässt sie nur noch mit Stock oder Rollator.
Manchmal brennt das Essen an, weil sie vergisst den Herd auszuschalten.
Und immer wieder verschwinden Dinge.
Dafür sind die Erinnerungen an ihre eigene Kindheit wieder sehr präsent.
Wenn jemand bei ihr ist, erzählt sie gern davon.
Mit 88 Jahren führt sie immer noch ein selbstbestimmtes Leben – zwar mit Einschränkungen, aber in den eigenen vier Wänden. In vertrauter Umgebung.
Kinder, Enkelkinder und Lachen sind geblieben.
Das angelehnte Gartentor zur Nachbarin. Sie schaut ab und zu vorbei.
Abends vor dem Schlafengehen ein letzter Blick zum Nachbarn gegenüber.
Ist er noch wach? Es ist derselbe seit 34 Jahren.